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Beispiel Guter Praxis: WIR

Inklusion als Querschnittsaufgabe bei der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten

Das Förderprogramm WIR fördert Netzwerke zur Unterstützung von Geflüchteten, um eine bessere Teilhabe am Arbeitsmarkt zu erreichen, legt dabei einen Schwerpunkt auf die Unterstützung von Geflüchteten mit Behinderungen und setzt so besonders gut den Anspruch um, die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention zu berücksichtigen.

Steckbrief

Insitution Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)

Programm WIR – Netzwerke integrieren Geflüchtete in den regionalen Arbeitsmarkt

Förderperiode 2021 – 2027

Querschnittsthema Antidiskriminierung

Förderschwerpunkt Förderung der sozialen Inklusion und Bekämpfung der Armut

Quellen/Dokumente Förderrichtlinie WIR
Leitfaden für die Einreichung einer Interessenbekundung
Übersicht zu den rechtlichen Rahmenbedingungen
Leitfaden zur Beratung von behinderten geflüchteten Menschen

Kontakt Anne Lutz
E-Mail
Leon Seikat
E-Mail

Um welche Herausforderung geht es?

Die EU-Verordnungen und das Bundesprogramm haben ein Leitprinzip für den ESF Plus prominent hervorgehoben: Barrieren der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sollen abgebaut werden und die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen ist verboten. Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) soll im ESF Plus umgesetzt werden. Eine Herausforderung bei der Gestaltung und Umsetzung der ESF Plus-Förderprogramme ist es, diese Anforderungen konkret auf die Zielgruppen und Themen im ESF Plus anzuwenden.

In Bezug auf die Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Menschen mit Behinderungen sind die Bedarfe groß. Geflüchtete Menschen mit Behinderungen werden unzureichend unterstützt und sind teilweise von Sozialleistungen ausgeschlossen. Institutionen in den Feldern der Migrations- und Flüchtlingsarbeit sowie in der Behindertenhilfe sind in voneinander getrennten Versorgungs- und Kooperationsstrukturen tätig. Die Arbeit mit Geflüchteten mit Behinderungen erfordert vielfach längere Beratungsprozesse und den Zugang zu spezifischer sozial- und ausländerrechtlicher Expertise, weil oftmals sowohl Zugangsmöglichkeiten zu Rehabilitationsleistungen als auch aufenthaltsrechtliche Fragen zu klären sind.

Was wird gemacht?

Das Programm WIR - Netzwerke integrieren Geflüchtete in den regionalen Arbeitsmarkt - stellt sich diesen Herausforderungen und Bedarfen. Das Programm verfolgt das allgemeine Ziel, Geflüchtete bei der Teilhabe am Arbeitsmarkt zu unterstützen und konkretisiert, dass Bedarfe von geflüchteten Menschen mit Behinderungen besonders berücksichtigt werden sollen.

Bereits in der Förderperiode 2014 – 2020 befassten sich im Vorgängerprogramm IvAF einige der geförderten Projekte ausführlicher mit dem Unterstützungsbedarf von Geflüchteten mit Behinderungen. Sie gründeten eine projektübergreifende Arbeitsgruppe zu diesem Thema. Einige Projekte entwickelten spezielle Beratungs- und Qualifizierungsangebote für die Zielgruppe, auch strukturelle Ansätze wurden erprobt. In diesem Zusammenhang wurden u.a. von Akteur*innen aus IvAF-Projekten eine Übersicht zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und ein Leitfaden zur Beratung von Menschen mit einer Behinderung im Kontext von Migration und Flucht für die Praxis  erarbeitet. Auch wurde eine Train the Trainer-Fortbildung zu diesem Beratungsleitfaden entwickelt (vgl. auch die Beispielsammlung aus IvAF, S. 23ff.).

Die Erfahrungen der Projekte flossen in die Gestaltung der Richtlinie für das Programm ein. So ist in dieser Förderperiode als Zielsetzung für das Programm explizit festgelegt, dass geflüchtete Personen mit Beeinträchtigungen bzw. mit einer Behinderung sowie mit fluchtspezifischen Folgeerkrankungen besonders berücksichtigt werden sollen. Dieses Ziel steht im Zusammenhang mit einem grundsätzlich an Lebenslagen orientierten Ansatz und dem Anspruch einer „möglichst frühzeitigen, niedrigschwelligen, umfassenden und längerfristigen individuellen Beratung und Begleitung von Geflüchteten bei ihrer Integration in den deutschen Arbeitsmarkt“ (Richtlinie).

Die Vorgaben im Programm ermöglichen es den Projekten, einen Fokus auf die Beratung von Geflüchteten mit Behinderungen zu legen:

  • Eine langfristige Begleitung und Beratung der Teilnehmenden ist möglich.
  • Maßnahmen zur Stärkung der Beschäftigungsfähigkeit werden gefördert, und ein mögliches Ziel ist die Unterstützung beim Zugang zu den Leistungen des regulären Hilfesystems.
  • Für das Monitoring zählt nicht nur die Integration in Arbeitsmarkt und Bildung, sondern auch die Stärkung der Beschäftigungsfähigkeit.
  • Dabei ist der Schwerbehindertenstatus keine Voraussetzung dafür, dass Beratungssuchende als Personen mit Fluchterfahrungen und Behinderung gelten.
  • Um auch strukturelle Zugangshürden anzugehen, müssen alle Projekte strukturelle Maßnahmen umsetzen. Als mögliche Netzwerkpartner sind auch Einrichtungen aus dem Gesundheitsbereich genannt (Gesundheitsdienste, Psychologische Beratungsstellen, Drogenberatungsstellen).

 

Auch das Erfordernis der Barrierefreiheit der Maßnahmen wird formuliert. So sind die Projekte nicht nur allgemein angehalten zu prüfen, ob im Vorhaben die Barrierefreiheit berücksichtigt ist, sondern sie sollen prüfen, ob dies umfassend geschieht, z.B. beim Zugang zu und beim Bewegen in Gebäuden, bei Methodik und Didaktik und bei der Informations- und Öffentlichkeitsarbeit.

Warum ist das Gute Praxis?

Der große Stellenwert der Unterstützung von Geflüchteten mit Behinderung im Programm WIR ist als gute Praxis zu bewerten. Dafür gibt es mehrere Gründe:

  • In den Programmdokumenten sind nicht nur allgemeine Vorgaben zur Inklusion formuliert, sondern es wurde fachpolitisch konkretisiert, was diese bedeutet.
  • Die für die Umsetzung erforderlichen Rahmenbedingungen wurden durch verschiedene Programmvorgaben geschaffen (Fördergegenstand, Zielsetzung, Monitoring, Zugangsvoraussetzungen).
  • Die Projekte sind mit der Umsetzung nicht auf sich allein gestellt. Sie können auf eine Train the Trainer-Fortbildung und zwei Publikationen zum Thema zurückgreifen und eine projektübergreifende Arbeitsgruppe begleitet das Thema kontinuierlich.
  • Es wurde vorbildlich auf Erfahrungen des Vorgängerprogramms aufgebaut.
  • Das Thema Barrierefreiheit wird über Mindestanforderungen hinaus beachtet und dabei den Anforderungen der UN-BRK besonders entsprochen.
  • Auch die strukturelle Ebene wird angesprochen.
  • Verflechtungen von Flucht und Behinderung werden fokussiert (Intersektionalität).

Was ist für den Transfer zu beachten?

Übertragbar ist, dass in den Programmdokumenten bereits konkretisiert wird, was Inklusion im Themenfeld bedeutet. Für diese Konkretisierungen ist es wichtig, Impulse aus der praktischen Arbeit aufzugreifen. Wenn noch kaum Wissen zu einem Thema vorliegt, ist – wie in WIR - die Förderung von Expertisen und exemplarischen Formaten der Kompetenzentwicklung ein wichtiger erster Schritt.  Alle Projekte können davon profitieren ebenso wie von Austauschmöglichkeiten zum Thema.

Sensibilität bzgl. der Bedeutung von Inklusion und das Wissen, wie inklusive Ansätze umzusetzen wären, sind wichtig, reichen aber nicht aus. Erforderlich sind auch Rahmenbedingungen, die eine Umsetzung ermöglichen. Die Anforderung der Barrierefreiheit bleibt für die Projektträger schwierig, da mit der barrierefreien Gestaltung von Gebäuden und Angeboten unter Umständen erhebliche finanzielle Kosten verbunden sind. Auch dafür braucht es Rahmenbedingungen; die Gewährleistung von Barrierefreiheit darf nicht allein den Projektträgern aufgebürdet werden.

Die Konstruktion und die Vorgaben im Programm WIR sind ein Beispiel guter Praxis. Ob diese Vorgaben letztlich dazu führen, dass Geflüchtete mit Behinderungen im Programm insgesamt auch besser unterstützt werden, ist noch eine offene Frage. Hier gilt es, durch Monitoring und Evaluation die Praxis zu untersuchen und die Befunde in die Weiterentwicklung des Programms und kommender Programme einfließen zu lassen.


Gute Praxis zum Download

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